Kapitel 2 - Ankommen
- Ev-Marie
- 30. Aug. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Nov. 2019
Die Orientierungswoche ist nun fast vorbei und somit ist es schon zehn Tage her, dass ich mit meinen beiden Koffern und einem Rucksack den Stuttgarter Flughafen passiert habe.
Von dort aus ging es dann mit einem vierstündigen Zwischenstopp in Moskau nach Jerewan.
Mitten in der Nacht allein auf einem leeren und riesigen Flughafen wie Moskau eine Dreiviertelstunde zum nächsten Gate laufen zu müssen war eine ganz neue Erfahrung.
Im Laufe der Zeit wurde unsere Gruppe aber immer größer und im Endeffekt waren wir ganze elf UWCler im Flugzeug von Moskau nach Jerewan. Anfangs mit Smalltalk (Lieblings-Smalltalk-Thema: Fächerwahl) lernten wir uns gegenseitig schon einmal ein bisschen kennen, bis wir um 10:20 Ortszeit dann endlich in Jerewan waren. Alle totmüde, weil wir einfach kaum geschlafen hatten, aber auch happy, dass wir es endlich geschafft hatten. Das dachten wir jedenfalls. Denn wir mussten noch auf zwei weitere Flugzeuge warten, sodass wir erst zwei Stunden später endlich auf dem Weg waren. Weitere fast drei Stunden später, nämlich um 15:30 Uhr, sahen wir dann das erste Mal das College und Dilijan. Komplett überfordert durch die Begrüßung der Second-years sind wir ins Tageslicht gestolpert. Ich weiß nicht mehr sonderlich viel davon, weil es sehr laut und überall Menschen waren, aber irgendwie haben mich dann irgendwann meine deutschen Second-years erreicht und ich war wahnsinnig glücklich, bekannte Gesichter zu sehen. Ich weiß, dass sich auch meine Roommates in diesen Minuten vorgestellt haben, aber um ehrlich zu sein war ich auch dafür zu verwirrt. Ich bin also einfach nur blind irgendwelchen Leuten gefolgt und bin irgendwann tatsächlich in meinem Zimmer gelandet, in dem ich also das nächste Jahr mit zwei Second-years aus Georgien und Venezuela und einer weiteren First-year aus Simbabwe leben werde.
Das Ganze kommt mir vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her, weil ich seitdem so viel erlebt habe. Viele Icebreakers und Kennenlernspiele, viele Sessions zu den UWC-Werten und generell allem, was das College betrifft, viele weitere Angebote und vor allem viele, sehr viele Namen mit zugehörigen Nationalitäten. Ich begegne manchmal immer noch Leuten, bei denen ich das Gefühl habe, sie noch nie gesehen zu haben oder bei denen ich zumindest Name und Nationalität wieder einmal vergessen habe. Einige Dinge fallen einem aber beim Namenlernen sehr schnell auf, z.B. ist die spanischsprechende Community sehr groß. Zum einen durch die vielen Leute aus Latein-, Südamerika und Spanien, zum anderen aber auch durch die vielen Leute, die aus irgendeinem Grund auch fließend Spanisch sprechen können. Ich glaube, ich lehne mich mit der These, dass jeder vierte (in unserem Jahrgang vielleicht sogar jeder dritte) fließend Spanisch spricht, nicht zu weit aus dem Fenster. Zwei weitere große Sprachen, die außer natürlich Englisch und Spanisch gesprochen werden, sind Arabisch und Russisch. Wenn man eine der drei Sprachen spricht, hat man jedenfalls immer Leute, mit denen man sich mal auf einer anderen Sprache als Englisch unterhalten kann. Und dann gibt es die Leute, wie mich, die keine davon sprechen und dann hilflos dabei stehen, wenn man plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes nur noch Spanisch versteht oder nichts auf Produkten lesen kann, weil alles nur auf Russisch draufsteht und die Verkäufer auch kein Englisch können. Aber in diesem Meer aus Englisch, Armenisch, Spanisch, Russisch und Arabisch gibt es auch ein bisschen Deutsch. Von sämtlichen Leuten werde ich mittlerweile ausschließlich mit "Guten Tag" begrüßt, weil das alles ist, an das sie sich noch von irgendwo her erinnern und alle versuchen stehts mir ihre grandiosen Deutschfähigkeiten zu präsentieren. Letzteres erfordert manchmal eine sehr lange Überlegungszeit, um zu verstehen, was diese Person gerade versucht zu sagen:).
Im Allgemeinen kann ich sagen, dass es mir hier sehr gut gefällt und dass die Leute hier echt toll sind. Aber es wird definitiv noch eine Weile brauchen, bis ich diesen Ort mein Zuhause nennen kann. Dafür ist alles noch zu neu, die Menschen zu fremd, das Essen zu anders und so weiter.
Das hier ist einfach alles ganz anders als das, was ich bisher in meinem Leben erlebt habe.
Vielen Dank fürs Lesen und viele Grüße wahrscheinlich nach Deutschland,
Deine Ev-Marie
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