Kapitel 6 - Term 2
- Ev-Marie
- 4. Aug. 2020
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Aug. 2020
Obwohl sich vier Wochen Winterferien lang anhören, verging die Zeit zwischen meinem ersten und zweiten Term ziemlich schnell und schon saß ich am 11. Januar wieder im Flieger nach Armenien. Nachdem ich im Flugzeug noch etwas niedergeschlagen darüber war, dass meine Ferien jetzt schon vorbei waren, war schon beim Wiedersehen mit Freunden am Flughafen alles wieder vergessen. Man hatte einfach das Gefühl, man wäre nie weggewesen und am College angekommen waren auch die Alltagsabläufe sofort wieder die selben. Mit der Schule ging es am Montag ebenfalls weiter und die hatte es dazu noch direkt wieder in sich, mit Klausuren und verschiedenen anderen Sonderaufgaben. Also eigentlich alles so wie gewohnt, nur an meinem Stundenplan hatte sich über die Ferien ein kleines Detail geändert. Ich sollte nun nicht mehr Armenischunterricht bekommen, sondern das siebte Pflichtfach im IB beginnen: Theory of Knowledge oder auch kurz TOK. In diesem Fach geht es grundsätzlich darum, wie und woher man weiß, was man weiß und die Geschichte hinter diesem Fach ist, dass einige Gründer des IBs eigentlich Philosophie als Pflichtfach haben wollten, aber da nicht alle zugestimmt haben. Also wurde einfach ein neues philosophisches Fach entwickelt - TOK. Eigentlich finde ich dieses Fach ja auch echt interessant, aber diese Brücke, die TOK zwischen all meinen anderen IB-Fächern bilden soll, kann ich nicht sehen, ergo hilft sie mir nicht wirklich weiter. Und so würde ich die drei Stunden pro Woche, die ich im TOK Unterricht verbringe, lieber anders nutzen.
Aber natürlich habe ich meinen zweiten Term nicht nur mit TOK und anderen Schulsachen verbracht, sondern es gab auch wieder eine Reihe von anderen Dingen, die nebenbei stattgefunden haben. Von denen möchte ich jetzt etwas erzählen:
Am 16. Januar, zum Beispiel, war ich mit meiner Mentorgruppe bei unserer Mentorin zum Kochen und Essen eingeladen. Es war ein wunderschöner Abend mit einem ziemlich scharfen grünen Curry, das aber trotzdem sehr lecker war, mit Schokoladenkeksen, die im Endeffekt zu einem einzigen riesigen Brownie geworden sind und viel Spaß.
In den folgenden Wochen fanden dann auch noch die Regional Weeks statt, die im ersten Term noch nicht dran waren. Angefangen mit "Baltisch zu Kaspisch", über "Amerika" bis hin zu "Afrika" anfang März und mit der Regional Week von "Europa" in der Mitte. In diesen Wochen geht es darum den anderen Schülern*innen sein Land und seine Region mit verschiedenen Angeboten näher zu bringen bevor die Woche mit dem Regional Evening als krönenden Abschluss endet.

Dieser Abend ist dann eine Show, in der es in der Regel ein Thema gibt (bei uns war es Eurovision Songcontest) und in der jedes repräsentierte Land einen Programmpunkt geplant und erprobt hat (Tänze, Lieder, Sketche,...). Wir Deutschen haben uns dieses Jahr für eine Art Sketch entschieden, in dem wir die Vorurteile gegenüber Deutschen thematisiert haben. Alles andere, wie z.B. ein "traditionell deutscher" Tanz, den wir alle erst erlernen müssten, hätte auch zu unseren Erfahrungen mit unserer Kultur gar nicht gepasst. Der Sketch war dann am Ende auch echt witzig und wir haben uns somit glücklicherweise nicht einfach komplett blamiert, obwohl wir eigentlich erst am Morgen vom Auftritt angefangen haben etwas zu planen - ups:)
Aber nicht nur die Regional Weeks boten Abwechselung im Schulalltag, sondern ich habe bis März auch an einigem Outdoorangeboten teilnehmen dürfen.

Zum Einen war ich das ein oder andere Mal wandern, was in Armenien echt schön ist und zum Anderen konnte ich den kaukasischen Winter genießen und mal wieder Skifahren.

Die Skipisten konnten zwar vom Schwierigkeitsgrad mit denen in Europa nicht wirklich mithalten (armenisches Rot = leichtes euröpaisches Blau), aber es hat einfach Spaß gemacht wieder einmal auf Echtschnee die Pisten hinunter zu sausen und dabei die traumhafte Kulisse zu genießen, trotz der -10 Grad. Außerdem war es auch so viel günstiger als irgendwo in Mitteleuropa.

Einen weiteren schönen Fleck Armeniens habe ich dann an unserem ersteh langen Wochenende kennengelernt, denn da bin ich mit Freunden nach Gyumri gefahren. Gyumri ist die zweitgrößte Stadt Armeniens und liegt im Nordwesten, sehr nahe der türkischen Grenze und hat einiges zu bieten. Eins meiner Highlights in diesen Tagen war trotzdem mal wieder das Essen.

Nicht nur waren wir einmal in einem super leckeren Café zum Mittagessen, sondern wir waren auch mehrmals in einer Bäckerei, in der es unter anderem super leckeren Pumpernickel und auch Crossaints gab, die sogar vom Franzosen in der Gruppe gelobt wurden.
Übrigens, in dieser Bäckerei habe ich auch mitbekommen, dass unsere Firsties (also die Deutschen in Dilijan 2020-2022) ihre Zusagen bekommen haben, also wenn jemand von euch das ließt, Grüße gehen raus:).

Außerdem hatten wir am ersten Abend simbabwisches Essen und am zweiten Abend habe ich Kässpätzle gemacht.
Dabei musste ich zwar sehr viel improvisieren, v.a. weil ich vom sehr speziellen armenischen Käse nicht so viel verwenden wollte, und die Spätzle waren im Endeffekt zu fest, aber es hat trotzdem allen Beteiligten sehr gut geschmeckt.
Ein weiteres Highlight in Gyumri war unser Besuch in der "schwarzen Festung", die heute als Konzertort und bald auch als Hotel verwendet wird und die für Besucher eigentlich schwer zugänglich ist.

Zufälligerweise aber war der Hausmeister da, der uns erst nur in die große Halle gelassen hat, aber uns anschließend dann doch so nett fand und eine private Führung übers gesamte Gelände gegeben hat, nicht ohne an jedem dieser Orte zu betonen, dass Touristen da eigentlich nie hindürfen. Mit Händen und Füßen, aufgrund unserer sehr mageren Armenisch- und Russischwortschätzen und seiner sehr begrenzen bis nicht vorhandenen Englischkenntnisse (geschweige denn von Spanisch, Französisch, Kantonesisch, Shona oder auch Deutsch) haben wir dann auch noch etwas Geschichte von diesem Ort mitnehmen können.
Nun ja, und dann kamen wir Samstag Nachmittag nachhause, haben am nächsten Tag beim Mittagessen vom ersten Coronafall in Armenien mitbekommen und das Schicksal nahm seinen Lauf. Umgehend wurden alle, die noch nicht wieder vom langen Wochenende zurück waren, zurückbeordert und wir durften den Campus nicht mehr verlassen. Gerade einmal zwei Wochen später, nach immer häufiger werdenden Assemblys, wurde uns eine weitere, aber diesmal sehr ernst scheinende Vollversammlung angekündigt, in der im Endeffekt bekanntgegeben wurde, dass alle nachhause geschickt werden müssten und bitte bis Mittwoch den Campus verlassen sollten.
Die Ironie dahinter war eigentlich, dass ich bis zu dieser Versammlung einen der besten Tage seit langem hatte. Irgendwie lag nämlich etwas in der Luft, als ob das der letzte Tag zusammen sein könnte und dazu sollte auch noch der afrikanische Regional Evening am Abend stattfinden, in dem ich auch bei einem Programmpunkt mitgewirkt habe ("Gummistiefeltanz" - siehe Video), auf den sich alle gefreut haben. Jedenfalls hat niemand an diesem Tag gearbeitet, sondern wir haben den ganzen Tag Kartenspiele in den Wohnhäusern oder Frisbee auf dem Fußballplatz gespielt.
Trotzdem war es am Ende des Tages offiziell, wir mussten nachhause, und das war das Ende des entspannten Beisammensein mit Spielen. Jetzt hieß es, Zimmer räumen und packen, während man überlegen musste was man über die fünf Monate in Dilijan lässt, schnell noch eine Last Minute Graduation vorbereiten, alle Traditionen, die normalerweise am Ende des Schuljahres stattfinden, weiterführen und natürlich noch möglichst viel direkte Zeit mit Freunden verbringen.
Außerdem hatten wir noch letzte Treffen mit unseren Lehrern (z.B. dafür, was wir auf jeden Fall nachhause mitnehmen sollten) und mussten Flüge buchen. Letzteres war ebenfalls echt stressig, weil viele Flughäfen und Länder mittlerweile am Schließen waren und somit viele Flüge, wie mein erster, sehr kurzfristig gestrichen wurden. Nach zwei eher schlaflosen Nächten in Ungewissheit bin ich dann aber doch am 18. März nach Paris, also immerhin EU, und anschließend nach München, also immerhin Deutschland, gekommen. - mit vollständigem Gepäck!
Und seitdem bin ich also in Deutschland, hatte weiterhin wie geplant bis Ende Mai "Schule" und habe nun seit gut zwei Monaten Sommerferien, oder wie ich es nenne: Unterrichtsfreie Zeit, in der allerdings von einem erwartet wird, dass man so viel wie möglich an seinen IAs (Internal Assessments - wichtige Hausarbeiten in fast jedem Fach), seinem EE (Extended Essay - noch wichtigere Hausarbeit in einem Fach) und an allen anderen Schulsachen arbeitet. Da ich aber leider die ersten zwei Drittel dieser unterrichtfreien Zeit nicht den Erwartungen entsprechend genutzt habe, hoffe ich, dass ich in den nächsten zwei Wochen noch so viel wie möglich schaffe, bevor ich als Second-year zurück nach Dilijan gehe. Allerspätestens in einem Jahr, wenn ich den ganzen Schulstress hinter mir haben werde, wird es dann auch auf diesem Blog wieder was zu lesen geben.
Bis dahin, vielen Dank fürs Lesen und liebe Grüße,
Ev-Marie
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